Das Hinweisgeberschutzgesetz ist da!
Nachdem bereits im Jahre 2019 die sog. EU-Whistleblower-Richtlinie verabschiedet wurde, ist jüngst deren Umsetzung in das nationale Recht – nach mehreren Anläufen und weit außerhalb der vorgegebenen Umsetzungsfrist von zwei Jahren – durch das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) erfolgt. Nach einer letzten „Ehrenrunde“ durch den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat, hat der Bundesrat dem tags zuvor vom Bundestag verabschiedeten Gesetz am 12.05.23 zugestimmt; es wurde am 02.06.2023 im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt am 02.07.2023 in Kraft und hat für viele Unternehmen unmittelbaren Handlungsbedarf zur Folge:
Begriff des Hinweisgebers
Wie es der Name des HinSchG schon vermuten lässt, dient das Gesetz dem Schutz hinweisgebender Personen, allgemein bekannt als „Whistleblower“. Als solche ist nach der gesetzlichen Definition jede Person einzuordnen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über straf- oder bußgeldbewehrte Verstöße oder sonstige Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der EU (z.B. Geldwäsche, Produktsicherheit, Umweltschutz, Verbraucherschutz etc.) im beruflichen/unternehmerischen Kontext erlangt hat und diese melden will. Verstöße, die einer Privatperson außerhalb des beruflichen Kontextes bekannt werden, fallen nicht unter den Schutzbereich des Gesetzes. Als Hinweisgeber kommen nicht nur aktive und ehemalige Arbeitnehmer, sondern etwa auch Geschäftsführer und Leiharbeitnehmer in Betracht.
Einrichtung einer Meldestelle
Die wohl einschneidendste Folge für Unternehmen findet sich in § 12 HinSchG: Demnach müssen Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten künftig eine interne Stelle zur Entgegennahme der Meldungen von Hinweisgebern vorhalten. Für Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern gilt dies unmittelbar mit Inkrafttreten des Gesetzes am 02.07.2023, während für mittelgroße Unternehmen (50 bis 249 Mitarbeiter) eine – relativ kurze – Übergangsfrist bis zum 17.12.2023 vorgesehen ist. Letzteren ist es erlaubt, zur Entgegennahme von Meldungen und deren Bearbeitung eine gemeinsame Meldestelle einzurichten und zu betreiben. In Konzernen ist die zentrale Schaffung einer unabhängigen und vertraulichen Stelle bei einer Konzerngesellschaft (ggf. bei der Muttergesellschaft) wohl zulässig. Der Zugang für Hinweisgeber darf dadurch – z.B. durch sprachliche Barrieren – jedoch nicht erschwert werden.
Die interne Meldestelle ist so einzurichten, dass sie niederschwellig die Entgegennahme von Meldungen durch Beschäftigten und Leiharbeitnehmern ermöglicht. Darüber hinaus kann die interne Meldestelle auch für sonstige Personen geöffnet werden, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Unternehmen in Kontakt stehen (z.B. freie Mitarbeiter, externe Berater, Lieferanten).
Es ist dafür zu sorgen, dass die mit den Aufgaben der internen Meldestelle bertrauten Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig sind, insbesondere sind Interessenskonflikte zu vermeiden. Sie müssen die notwendige Fachkunde für die Ausübung der Tätigkeit aufweisen. Leitende Angestellte sollten über die Funktionsweise des Meldesystems zumindest gut informiert sein, da sie meist die ersten Ansprechpartner sind.
Unternehmen können die interne Meldestelle „outsourcen“ und einen vertrauenswürdigen Dritten, z.B. einen sog. Vertrauensanwalt oder Ombudsmann, mit deren Betrieb beauftragen. Jedes (Konzern-)Unternehmen bleibt aber stets selbst dafür verantwortlich, den Verstoß abzustellen und Rückmeldung an den Hinweisgeber zu geben.
Neben den internen Meldestellen schafft zumindest der Bund eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz; den Bundesländern steht die Schaffung externer Meldestellen frei. Mitarbeiter müssen auf das Bestehen der externen Meldestellen in geeigneter Form aufmerksam gemacht werden. Sie können prinzipiell frei wählen, ob Verstöße an die interne oder externe Meldestelle gemeldet werden, sollen aber die interne Meldung bevorzugt in Anspruch nehmen, wenn dadurch keine Repressalien zu befürchten sind.
Entgegennahme von Meldungen
Die interne Meldestelle muss Meldungen in mündlicher Form oder in Textform ermöglichen; auf Ersuchen eines Hinweisgebers ist ein persönliches Treffen – ggf. im Wege der Ton- und Bildübertragung – zu ermöglichen. Die Meldekanäle sind so zu gestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen Personen Zugriff auf eingehende Meldungen haben. Ausnahmen von diesem Vertraulichkeitsgebot sind nur in sehr eng begrenzten Fällen vorgesehen.
Zugelassen werden sollten, so der Gesetzeswortlaut, auch anonyme Meldungen, zwingend ist dies aber nicht. Es besteht arbeitgeberseitig keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen.
Alle eingegangenen Meldungen müssen in dauerhaft abrufbarer Weise unter Beachtung strengster Vertraulichkeit dokumentiert und aufbewahrt werden. Sie sind grundsätzlich drei Jahren nach Verfahrensabschluss zu löschen, sofern eine längere Aufbewahrung nicht anderweit vorgeschrieben ist.
Reaktion auf Meldungen
Der Eingang der Meldung muss dem Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen bestätigt werden. Bei einer Meldung hat die Meldestelle zunächst zu prüfen, ob es sich überhaupt um einen meldefähigen Verstoß handelt und ob die Meldung stichhaltig ist. Gegebenenfalls sind vom Hinweisgeber – mit dem während des Prüfverfahrens Kontakt zu halten ist – weitere Informationen einzuholen.
Erweist sich der Hinweis als begründet, sind angemessene Folgemaßnahmen zu treffen. Insbesondere kann die Meldestelle interne Untersuchungen entweder selbst durchführen oder durch die dafür zuständige Organisationseinheit (z.B. Compliance-Abteilung) durchführen lassen. Tatsächlichen Missständen sollte schon alleine deswegen abgeholfen werden, weil nur so das Vertrauen in das Meldesystem erhalten bleibt. Geht dieses verloren ist zu befürchten, dass sich Hinweisgeber bevorzugt an externe Meldestellen oder die Strafverfolgungsbehörden wenden.
Spätestens drei Monate nach der Eingangsbestätigung hat – sofern dadurch der Erfolg interner Ermittlungen nicht gefährdet oder berechtigte persönliche Interessen nicht betroffen werden – eine Rückmeldung an den Hinweisgeber zu erfolgen, wie mit dem Hinweis umgegangen wurde und welche Maßnahmen ergriffen wurden.
Schutz der Hinweisgeber
Der Schutz von Hinweisgebern soll durch ein umfassendes Verbot jeglicher Repressalien gewährleistet werden, d.h. Hinweisgeber dürfen bei einer ordnungsgemäßen Meldung keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen befürchten müssen. Geschützt ist aber nur, wer hinreichenden Grund zu der Annahme hat, dass die von ihm gemeldeten Informationen zum Zeitpunkt ihrer Übermittlung der Wahrheit entsprachen. Personen, die vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche oder irreführende Informationen melden sind schutzlos und ggf. schadensersatzpflichtig.
Das Verbot von jeglichen Repressionen bezieht sich insbesondere auf eine Kündigung, eine Herabstufung oder Versagung einer Beförderung, eine Gehaltsminderung, die Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrages, die Aufgabenverlagerung und Änderung von Arbeitszeit- und/oder Ort. Im Falle eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht ist eine Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers vorgesehen, wenn dieser einen Zusammenhang von Meldung und Benachteiligung geltend macht. Der Zusammenhang wird dann vermutet und der Arbeitgeber muss beweisen, dass die Repressalie mit der Meldung in keinerlei Zusammenhang stand. Der Hinweisgeber kann seinen Arbeitgeber für erlittene Repressalien auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Ein Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses oder einer Beförderung besteht aber selbst dann nicht, wenn eine (berechtigte) Meldung zum Anlass genommen wurde, den Hinweisgeber nicht einzustellen oder zu befördern.
Ordnungswidrigkeiten und Bußgeld
Bestimmte vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße gegen die Verpflichtungen des HinSchG stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit einem Bußgeld von bis zu EUR 50.000 Euro geahndet werden. Ordnungswidrig handelt, wer eine gerechtfertigte Meldung oder die nachfolgende Kommunikation behindert oder eine Repressalie ergreift (in diesen Fällen reicht auch schon der Versuch aus), aber auch wer eine interne Meldestelle nicht einrichtet oder eine solche zwar eingerichtet hat, sie aber nicht betreibt, des Weiteren, wer gegen das Vertraulichkeitsverbot verstößt. Bußgelder für die Nichteinrichtung eines Meldesystems werden erst ab 01.12.2023 verhängt.
Umsetzung der Vorgaben im Unternehmen
Für Unternehmen, die noch kein Compliance-System eingeführt haben, stellen die Vorgaben des HinSchG eine nicht unerhebliche Belastung dar. Der Erfüllungsaufwand auf Unternehmensseite wurde vom Gesetzgeber mit rund 190 Millionen Euro für die erstmalige Einrichtung interner Meldestellen und für deren laufende Vorhaltung mit 200 Millionen Euro pro Jahr (!) angegeben.
Bei der Umsetzung des HinSchG sollte sichergestellt werden, dass ein eingerichtetes Meldesystem auch wirklich funktioniert – jede Meldung muss zwingend Folgemaßnahmen auslösen: Zum einen müssen gegenüber dem Hinweisgeber die Fristen zur Information über Eingang der Meldung (eine Woche) und Fortgang des Verfahrens (drei Monate) eingehalten werden. Zum anderen muss einem gemeldeten und auch tatsächlich vorliegenden Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften auch abgeholfen werden. Ob darüber hinaus eine Belohnung für den Hinweisgeber gewährt wird, bleibt jedem Unternehmen selbst vorbehalten.
Im Hinblick auf die oben angesprochene Verlagerung der Beweislast bei der Sanktionierung eines Hinweisgebers ist eine umfassende Dokumentation angezeigt, um im Streitfall nachweisen zu können, dass die ergriffenen Maßnahmen nicht mit der Meldung in Verbindung stehen.
Und nicht vergessen: Bei der Einrichtung eines Meldesystems bzw. von Begleitmaßnahmen kann in Unternehmen mit Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen!
Wir helfen Ihnen gerne bei der Einrichtung und beim Betrieb einer internen Meldestelle – sprechen Sie uns gerne an!
Stand: Juni 2023
Autor: LKC Rechtsanwälte
Tobias Schwartz | Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Handels- u. Gesellschaftsrecht
tobias.schwartz@lkc.de
Telefon: 089 2324169-0
Matthias Wißmach | Rechtsanwalt
matthias.wissmach@lkc.de
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