Mit der seit dem Jahr 2011 geltenden europäischen Zahlungsverzugsrichtlinie (RL 2011/7/EU) soll sichergestellt werden, dass der Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr effektiv vermindert und bestenfalls vermieden wird. Ausfluss der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ist u.a. § 288 Abs. 5 BGB, nach dem der Gläubiger einer Entgeltforderung vom sich im Verzug befindlichen Schuldner (wenn dieser kein Verbraucher ist) neben Bezahlung und Verzugszinsen außerdem eine Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro verlangen kann.

Sowohl in Literatur als auch Rechtsprechung war bislang jedoch umstritten, ob die 40 Euro-Pauschale mehrfach oder aber nur einmal gefordert werden kann, wenn den jeweils offenen Forderungen ein einheitliches Vertragsverhältnis zugrunde liegt und die Forderungen „gesammelt“ in einem Vorgang dem Schuldner gegenüber geltend gemacht werden.

Um diese Frage ging es auch bei einem jüngst vor dem Amtsgericht München geführten Verfahren:

Die Parteien des Rechtsstreits hatten einen Software-Pflegevertrag abgeschlossen, bei dem periodisch nach Leistungszeiträumen abgerechnet wurde. Der Kunde befand sich insgesamt mit der Zahlung von drei Rechnungen im Rückstand und wurde schließlich von dem von unserer Kanzlei vertretenen Software-Unternehmen auf Zahlung des Gesamtbetrags nebst Zinsen und – hier von Interesse – drei Verzugspauschalen in Höhe von jeweils 40 Euro wiederum nebst Zinsen verklagt. Das Amtsgericht München gab der Klage zum ganz überwiegenden Teil statt, sprach dem klagenden Software-Unternehmen jedoch nur eine der drei Verzugspauschalen zu und wies die Klage hinsichtlich der beiden darüber hinaus geltend gemachten Verzugspauschalen ab.

In seiner Begründung folgte das Amtsgericht einer weit verbreiteten Ansicht, nach der § 288 Abs. 5 BGB bei Vorliegen eines einzigen Vertragsverhältnisses, aus dem wiederholt/periodisch einzelne Entgeltforderungen entstehen, einschränkend dahingehend auszulegen sei, dass die Ansprüche zusammengefasst werden müssten und die Verzugspauschale lediglich einmal anfalle. Unsere Kanzlei legte für das Software-Unternehmen gegen die Teilabweisung Berufung zum Landgericht München I ein und dieses die oben beschriebene Frage – da es um die Auslegung der europäischen Richtlinie ging – dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu Entscheidung vor.

Mit Urteil vom 01.12.2022 entschied der EuGH nun, dass die vom Amtsgericht vertretene Auffassung nicht mit den Vorschriften und Zielen der Zahlungsverzugs-RL vereinbar ist und – wie unsere Kanzlei das beim EuGH vertreten hat –  dementsprechend die 40 Euro-Pauschale auch dann für jeden einzelnen Zahlungsverzug geschuldet wird, wenn ein und derselbe Vertrag periodisch wiederkehrende Lieferungen von Waren oder Erbringungen von Dienstleistungen vorsieht, die jeweils innerhalb einer bestimmten Frist zu bezahlen sind.

Fazit:

Die Entscheidung überrascht nicht, wenn man sich mir den Vorschriften und Zielen der Zahlungsverzugs-RL näher auseinandersetzt. Die von der Richtlinie ausdrücklich gewünschte Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr wäre kaum erfolgreich durchzusetzen, wenn notorische Schuldner für den von ihnen ausgelösten Verwaltungsaufwand lediglich einmal mit 40 Euro zur Kasse gebeten würden.

Bei Fragen zum Thema sprechen Sie uns gerne an.

Stand: 14.12.2022

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Tobias Schwartz | Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Handels- u. Gesellschaftsrecht

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