Sonderzahlungen und Gratifikationen: Arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt kann betriebliche Übung nicht verhindern

Viele Arbeitsverträge enthalten eine Klausel, dass Sonderzahlungen und Gratifikationen nur freiwillig gewährt werden und auch eine mehrfach hintereinander erfolgte Auszahlung keinen Rechtsanspruch auf diese für die Zukunft bedingt. Das damit von Arbeitgebern verfolgte Ziel ist es, mithin eine konkludente Vertragsänderung aufgrund betrieblicher Übung zu verhindern.

Um eine solche Klausel drehte sich auch ein kürzlich vom Bundesarbeitsgericht entschiedener Rechtsstreit. Die klagende Arbeitnehmerin begehrte vom beklagten Arbeitgeber die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für das Jahr 2020, nachdem sowohl sie als auch ihre Kollegen in den Jahren zuvor ein solches stets erhalten hatte – sie berief sich auf einen Anspruch aus betrieblicher Übung. Der Arbeitgeber stützte sich zur Klageabwehr v.a. auf folgende Klausel im Arbeitsvertrag:

„Die Zahlung von Sonderzuwendungen insbesondere von Weihnachts- und/oder Urlaubsgeld liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch für die Zukunft, auch wenn die Zahlung mehrfach und ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt.“

Erfolg hatte er damit nicht – er wurde nun letztinstanzlich zur Zahlung von rd. EUR 3.000 an seine Angestellte verurteilt (BAG vom 25.01.2023 – Az.: 10 AZR 109/22).

Nach Ansicht des BAG benachteilige der im Arbeitsvertrag statuierte Freiwilligkeitsvorbehalt die Arbeitnehmerin unangemessen, sei daher unwirksam und könne der Annahme einer betrieblichen Übung und eines daraus folgenden Anspruchs auf Zahlung eines jährlichen Urlaubs- und Weihnachtsgelds nicht entgegenstehen.

Bemängelt wurde vom BAG, dass die Klausel nicht auf den Entstehungsgrund etwaiger Ansprüche auf Sonderzuwendungen abstelle und die Auslegung zulasse, dass vom arbeitsvertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt auch spätere Individualabreden über die (verbindliche) Zahlung von Sonderzuwendungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld erfasst würden. Zwar werde in der Klausel darauf hingewiesen, dass die Zahlung von Sonderzuwendungen auch dann im freien Ermessen des Arbeitgebers liege, wenn die Zahlung mehrfach und ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt. Die Verwendung der Worte „auch wenn“ deute – so das BAG – jedoch darauf hin, dass eine anspruchsausschließende Wirkung der Zahlung gerade nicht nur bei einer vorbehaltlosen Gewährung der Leistung ohne ausdrückliche Vereinbarung erfolgen soll, sondern auch in anderen Fällen.

Empfehlung an Arbeitgeber:

Um das Entstehen einer betrieblichen Übung im Zusammenhang mit Sonderzahlungen zu verhindern, sollte der freiwillige Charakter der Sonderzahlung bei jeder Gewährung einer solchen in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang besonders herausgestellt werden – etwa durch ein Schreiben an den Mitarbeiter. Alternativ kommt ein entsprechender Vermerk auf der Lohnabrechnung in Betracht. Wichtig ist für den Streitfall allerdings, dass der Arbeitgeber den Zugang dieses Hinweises beim Arbeitnehmer auch beweisen kann.

 

Stand: August 2023
Autor: LKC Rechtsanwälte

Tobias Schwartz | Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht u. Handels- u. Gesellschaftsrecht

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Matthias Wißmach | Rechtsanwalt

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